Diese Tage erhielt ich eine Email einer Leserin und sie bat mich, ihr meine Gedanken zu ihrer persönlichen Umfrage mitzuteilen. Es schien mir, es sei ihr sehr wichtig, da sie selber davon betroffen ist.

Die Frage lautet:

Welche Meinung hast du zu den Marken der „großen Designer“ im Modebereich?
Es geht allerdings nicht prinzipiell um Markenkleidung für jedermann, sondern speziell für Kinder und Jugendliche.

Hm, dachte ich, das ist ja nicht gerade das Thema, womit ich mich hauptsächlich beschäftige, und ich habe wirklich viel zu tun :-)

Selbstwertgefühl stärken: Marken als “Kraftbilder”?

Heute hatte ich allerdings die Eingebung, dass ich dies von einer anderen Seite betrachten könnte. Und zwar aus Sicht der Kraftbilder und wie wir unser Selbstwertgefühl stärken können.

Denn Markenkleidung sind nichts anderes als Kraftbilder, nur auf einem anderen Level. Beides wirkt subtil auf unser Unterbewusstsein und beeinflusst unsere Entwicklung und unser Handeln und kann auch unseren Selbstwert steigern.

Ich versuche mich nun heran zu tasten.

Erste Frage: Brauchen die Kinder / Jugendlichen die Marken-Klamotten der ganz teuren Designer schon in der Schulzeit? Eventuell schon als Baby?
Da kommt spontan ein Nein, wenn es um das Wort BRAUCHEN geht.

Babys brauchen sie schon gar nicht; die wollen es warm und kuschelig und ganz viel Liebe und Zuwendung.

Die Frage wäre eher: Warum kaufen es die Eltern?
Vielleicht ganz einfach, weil sie es sich leisten können?

Bei den Schulkindern und Jugendlichen ist das Wort BRAUCHEN auch falsch.
Nein, brauchen sie nicht.

Hier geht es um etwas völlig Anderes. Hier kommt der Gruppenzwang ins Spiel, das Dazugehören wollen, das Anerkannt-Sein, das Nicht-aus-der-Reihe-Tanzen, das So-sein-wie-die-Anderen-auch, und natürlich auch, zu zeigen, dass sie sich das leisten können, bzw. die Eltern.

Das hat nun nichts mit BRAUCHEN zu tun, oder? Hier geht es um einen gesellschaftlichen Faktor, den ich nun aus meiner Sicht nicht lösen kann.

Die erste Frage wäre somit beantwortet: NEIN, brauchen sie nicht.

Zweite Frage: Was macht Markenklamotten für Jugendliche / Kinder so interessant?
Markenkleidung ist ein Statussymbol.

Jede Marke hat sich im Laufe der Zeit ein Image aufgebaut, mit ganz viel Marketing und Werbung und Geld. Wenn die Hersteller das gut gemacht haben, steht jede Marke für etwas, sie transportiert eine Botschaft.

Diese Botschaft kann vielseitig sein, sie kann für Freiheit, Anders-Sein, Eleganz, Selbstbewusstsein, Abenteurer usw. stehen, und damit identifizieren sich dann die Jugendlichen. Tragen sie eine bestimmte Marke, fühlen sie sich frei, als Abenteurer oder was die Marke ausdrückt.

Gute Arbeit, Werbung!

Meiner Meinung nach ist das der Grund, warum Kinder und Jugendliche Marken so cool finden: sie wollen das auch sein, haben, ausdrücken. Es steigert ihr Selbstwertgefühl, das sie von außen bestätigt bekommen.

Dritte Frage: Was machen Markenklamotten aus – wofür stehen sie ?
Das habe ich im Großen und Ganzen unter zweitens erläutert. Marken stehen also für bestimmte Werte.

Das Problem sehe ich darin, dass diese Werte nur äußerlich sind und auch nur „angezogen“ werden.

Vielleicht fühlt sich der Jugendliche durch eine bestimmte Jacke jetzt cool und selbstsicher und dazu gehörig. Aber wie sieht es in seinem Inneren aus? Wie sieht es aus, wenn er diese Jacke wieder auszieht?

Das blanke Selbst steht dann da.

Kann die Jacke ihm nun helfen, wenn er sie trägt, innerlich zu wachsen? Kann sie sein Selbstwertgefühl stärken, seine Selbstsicherheit, sein Dazugehören, sein Freiheitsgefühl?

Wenn es gut geht, gelingt das ab und zu. Oft wird nur gespielt, als ob.

Wenn die Jugendlichen das bewusst täten, das als – sagen wir jetzt mal – Übung zu verstehen, selbstsicher zu agieren: “Ich ziehe diese Jacke an und übe heute selbstsicheres Auftreten.”

Wow, das wäre doch mal was. Dann klappt das irgendwann auch ohne diese Jacke ;-)

Das ist jetzt nur ein Gedankenspiel. Mir ist bewusst, Astrid, du verlangst zu viel.

Vierte Frage: Was will jemand, der/die sie trägt, damit ausdrücken ?
Das sind alles ziemlich ähnliche Fragen, aber ich komme dadurch immer mehr ins Thema hinein.

“Ich gehöre dazu”, fällt mir spontan ein.

“Ich bin wie ihr.” “Ich bin besonders.” “Ich fühl mich stark und selbstsicher.”

Das sind alles gute Gründe.

Das, was nicht so gut daran ist, dass es äußerlich geschieht. Nur wenn ich im Außen so aussehe wie die oder der, werde ich akzeptiert zum Beispiel.

Kinder und Jugendliche können so gemein sein, wenn es ums Ausgrenzen geht.

Hm, wo haben sie sich das abgeschaut? Wer lebt ihnen das vor?

Nein, nicht auf die Gesellschaft schieben, auf die Umstände, auf alles außerhalb von uns. Wir leben unseren Kindern das vor, da gibt es keine Entschuldigung.

Jetzt habe ich sicherlich keinen Einfluss auf die Erziehung anderer Kinder, aber auf meine!

Ich weiß, wie schwierig das ist, wir haben selber zwei Töchter groß gezogen, die irgendwann daher kamen, und ein Tamagotschi wollten. Ein Tama… was? Das ist jetzt etwa 30 Jahre her.

Und so ist es auch mit Markenkleidung gewesen. Was macht man da als Eltern?

Aufklären. Reden. In den Arm nehmen, je nach Alter. Und ab und zu auch eine Markenkleidung kaufen, damit Kind sehen kann, ob sich das anders anfühlt. Ob sich dadurch etwas im Außen verändert. Und im eigenen Innern.

Selbstwertgefühl stärken als Selbsterfahrung ist immer noch die beste.

Fünfte Frage: Wer kann sich Markenklamotten leisten?
Diese Frage lässt sich nun leicht beantworten: der sie sich leisten will und kann, ganz einfach.

Da kommt ein ganz anderes Thema auf den Tisch, was soziale Unterschiede aufdeckt und das Miteinander nicht gerade fördert. Darauf will ich hier allerdings nicht eingehen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, mit „gebrauchter“ Markenkleidung bei einem Jugendlichen daher zu kommen, ist fast ein Unding. Das ist so ver-rückt.

Was haben wir für Vorbilder in uns? Welche Werte leben wir? Ja, was wollen wir unterstützen? Wie helfen wir unseren Kindern, ein größeres Bewusstsein für die Zusammenhänge zu verstehen, damit sie ihr Selbstwertgefühl stärken können?

Das geht nur, wenn wir es selber auch leben, wieder einmal.

Sechste Frage: Ist es ethisch vertretbar, sündhaft teure Kleidung / Schuhe / Taschen usw. zu tragen / kaufen ?
Diese Frage sehe ich unabhängig von teuer oder günstig. Ob teuer oder billig hat nichts mit Ethik zu tun.

Gerade Billigkleidung wird in östlichen Ländern hergestellt unter ominösen Bedingungen für Mensch und Natur. Das ist ethisch nicht vertretbar, und wenn wir T-Shirts für 3 € und Hosen für 7 € kaufen, dann handeln wir ethisch nicht korrekt. Denn wir müssen nur ein bisschen rechnen…

Oder Jacken mit echten Fellen… da darf ich gar nicht an das Leid denken, ob teuer oder Billigware.

Ob die teure Markenkleidung ethisch vertretbar ist, kann ich nicht beantworten, da müssten wir die Herstellungswege nachvollziehen können.

Als Fazit dieser Frage: ethisch vertretbar sind heutzutage viele Kleidungsstücke nicht, ob sie teuer oder billig verkauft werden.

Selbstwertgefühl stärken von innen her

Die Fragen sind zu Ende, ich bin mitten im Thema. Es ist ein schwieriges Thema, denn es geht ja nicht wirklich um die Markenkleidung. Es geht um das Thema dahinter, um die ganze Gesellschaft, um Respekt und Wertschätzung, um ein gesundes Selbstwertgefühl.

Unsere Kinder sind ein Abbild unserer Selbst. Wir können nur als Vorbild fungieren und damit etwas verändern.

Die Markenkleidung unterstützen nur eine äußere Form des „Dazugehörens“ und „Anerkannt-Seins“. Das Selbstbewusstsein wird dadurch nicht automatisch erhöht, und es kann sogar ein Zwang entstehen und sich ein Gefühl festsetzen, ohne diese Markenkleidung ein Nichts zu sein.

Das Selbstwertgefühl muss von innen wachsen. Die Eltern können dazu sehr viel beitragen, in dem sie Zeit mit ihren Kindern verbringen und das “Du bist wertvoll” pflegen.

Ein Kraftbild unterstützt Selbstentwicklung auf einer feinen Ebene, weil es – richtig ausgesucht – unsere tiefsten Bedürfnisse aufzeigt, wachruft und stärkt. Denn was wir immer wieder sehen und wahrnehmen, sozusagen „konsumieren“, verankert sich in unserer Seele. Auch bei den Kindern, ganz besonders leicht sogar.

Jugendliche haben auch ihre Kraftbilder in Form von Stars und Sternchen. Wie förderlich diese in Bezug auf die persönliche Entwicklung des Jugendlichen sind, wage ich zu bezweifeln, denn es geht wieder nur um Nachahmen und Anpassen. Und das eigene Selbst verschwindet hinter einer Kopie.

Jetzt bin ich neugierig, was DU dazu meinst.

Herzen Kraftbild von Rapunzel-Lounge
Rapunzel-Lounge Astrid Ryzek

Astrid Ryżek nutzt ihr feines Gespür, in die Tiefe eines Themas vorzudringen und das Wesentliche aufzudecken. Ihre Freude am Schreiben ist verbunden mit dem Wunsch, sich selbst immer besser kennen zu lernen und bewusster zu werden. Mögen die Themen hier im Blog dich inspirieren. Zieh deine eigenen Schlüsse daraus, übertrage sie in dein Leben und geh deinen eigenen Weg.
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